Bikepacking Grand Combin oder so Tag 3: Gratbiken zwischen Magura-Toast und Panach-weh

Leider waren unsere Bikes über Nacht nicht geputzt worden. Und im Hotel fanden sie gestern Abend, 5 Ravioli würden locker für unsere Königsetappe reichen.

Nun denn. Mit Aussicht auf ein königliches 2. August-Trailfeuerwerk braucht man keine Freunde.

Zum Aufwärmen standen gleich mal 1600 Höhenmeter nonstop an. Zuerst auf einer steilen Alpstrasse, dann mit einer Mischung aus hike&bike.

Doch wer mal sein Bike durch den Grand Canyon getragen hatte (ganze Story hier), den bringt so schnell nichts mehr ins Schwitzen.

Das taten vielmehr die holländischen Wanderfreunde, welche sich auf dem schmalen und hochalpinen Steig an unseren Bikes vorbeizwängen mussten. “Godverdomme Gert, er komen twee fietsers de berg op!”

Runter ging’s, wie nicht anders zu erwarten, vorerst auf einem grimmigen Trail der Marke “noflow”. Via Becca France und einigen zähen Gegensteigungen ging’s alles on Trail über total 2700 Tiefenmeter bis nach Aosta. Wow! Testa biciclista valdostana bestanden.

Wir beschlossen, die Gondel ins Skigebiet von Aosta zu nehmen und dort unseren Flüssigkeits- und Kalorienhaushalt wieder in Ordnung zu bringen und Mats durchgeglühte Bremsscheibe durch ein einheimisches Modell zu ersetzen. Auf der alten Bremsscheibe grillten wir Magura-Toast und tranken Panache.

Dermaßen frisch gestärkt machten wir uns auf den Weg, um die restlichen 700 Höhenmeter hinter uns zu bringen. Dass dies im hochalpinen Gelände kein Pappenstiel sein würde, war uns schon klar. Aber dass daraus ein zweistündiger Balanceakt zwischen zornigem Grattrail, italienischem Verhandlungsgeschick und Klettersteig werden würde – damit hatten wir nicht gerechnet.

Es begann relativ harmlos mit einem Aufstieg auf einem Skiweg. Klar, auf 2300 müm tritt es sich für pensionierte Rennfahrer (gemeinhin auch Senn-ioren genannt) nicht im Schlaf. Aber wir hatten Schlimmeres erwartet, als wir den Aufstieg von der Gegenseite her erblickten. Nicht erspäht hatten wir allerdings die Absperrung mit zwei (!) absoluten Betretungs-Verbots-Tafeln. Steinschlaggefahr infolge Baustelle.

Wir sind nicht die einzigen, welche italienische Verkehrsschilder mehr als Verhaltensvorschläge denn absolute Gebote betrachten.

Den ersten zwei Ordnungshütern, welche unsere Aufstiegsroute kreuzten, erging es wohl ebenso. Wiesen uns darauf hin, dass hier Betretungsverbot sei und machten sich von dannen. Der dritte hingegen, schon von weitem wild gestikulierend und fluchend wahrnehmbar, war etwas weniger leicht umfahrbar. Es brauchte minutenlange Verhandlungen plus eine 50 köpfige Schulwandergruppe, welche seelenruhig besagtes Sperrgebiet von oben her bewanderte, bis er uns passieren ließ. Natürlich nicht auf der Straße, sondern auf allen Vieren durch steiles Alpenrosengelände.

Eine halbe Stunde später hatten wir dann doch noch den Grat erreicht, der zum Passo Tsa Seize führte. Ab hier dann nur noch bergab nach Cogne.

Je höher wir stiegen, desto ausgesetzter wurde der Weg. Und desto böiger der kräftige Nordwind, welcher uns blauen Himmel, aber auch einige Balanceakte auf dem Klettersteig bescherte.

Es war 17 Uhr, als wir einigermassen angeknockt den höchsten Punkt erreichten. Und noch standen uns 1150 Tiefenmeter unbekannter Downhill bevor.

Und drei bellende, knurrende Hirtenhunde, welche uns deutlich zu verstehen gaben, dass sie keine weiteren Fleischfresser in ihrem Revier duldeten. Gut, hatten wir auf dem fast 3km langen Grat unsere Trittsicherheit trainiert. So schafften wir es auf Umwegen an ihnen vorbei auf unseren Schlusstrail.

Dieser war königlich! Wohl extra flüssig angelegt für den letzten italienischen König, der hier am Fuße des einzigen 4000ers in seinem Reiche das Jagdrevier hatte.

Zum Jauchzen fehlte uns mittlerweile die Energie. Nicht aber, um es nochmals kräftig stieben zu lassen.

Mit staubigen Beinen, zittrigen Bremsfingern und trockenen Kehlen stürzten wir uns in die erstbeste Bar.

Das nennt man dann wohl Panach-weh. Oder Ciclismo in Gran Paradiso.

A la prossima,

Mat&Dani

3 Gedanken zu „Bikepacking Grand Combin oder so Tag 3: Gratbiken zwischen Magura-Toast und Panach-weh“

  1. Am Couis bauen sie für die neue Gondelbahn. Dass sie deswegen gleich den Weg sperren ist gut zu wissen. Als Alternative kann man vom Lac Chamolé raufbuckeln und zur Tsa Sètse rüberfahren 😉

    1. Ja genau das wäre die andere Option. Oben muss das Bike aber etwa 300hm durch loses Gestein getragen werden.
      Darum haben wir uns für die luftige Variante über den Grat entschieden.
      Der Baustellenaufseher dachte aller Ernstes, wir würden wegen seiner Sperrung wieder runter fahren und den Wanderweg nehmen.
      Erst als wir ihn ungläubig anguckten und er den fehlenden Motor an unseren Bikes sah, fand er die Idee wohl auch nicht mehr so prickelnd.

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