Bikepacking Mercantour Tag 6: Vom Trampo-lit über die Todesbisse zum Mörderaufstieg

Heute stand uns die Königsetappe bevor. Und das am Nationalfeiertag der Franzosen. Sie sollte halten, was sie grossmundig versprochen hatte.

Es begann bereits vor dem Start.

Aufmerksamen Leser(innen) dürfte nicht entgangen sein, dass wir gestern zwar ausgiebig unsere Hungeretappe erläutert, aber kein Wort über die Unterkunft verloren hatten. Die stand nämlich zum Zeitpunkt des Blogeintrags noch gar nicht fest. Klar war uns lediglich, dass wir diesmal kein festes Dach über dem Kopf haben würden. Wir verbrachten deshalb den Abend auf der Terasse der geschlossenen Auberge mit Blog schreiben, Stretching und ein wenig dolce far niente. Unser Plan war, beim Eindunkeln unterhalb der Herberge auf einem Kunstrasen unsere Schlafsäcke auszubreiten.

Leider hatten wir die Rechnung ohne den Gemeindepräsidenten der 25-Seelen-Gemeinde gemacht. Wild gestikulierend und fluchend jagte er uns zum Teufel! Was uns eigentlich einfalle, uns ohne Erlaubnis der Eigentümer auf Privatgrund aufzuhalten?!?

Wir fanden dann aber auf dem lokalen Spielplatz ein ideales Nachtlager. Auf dem grossen Trampolin brauchten wir weder Zelt noch Mätteli.

Bitte nicht bewegen, sonst schaukelt‘s!

Morgens um 07.00 Uhr schälten wir uns aus den feuchten Schlafsäcken und machten uns ohne Frühstück auf den Weg zu einem letzten langen Trail über die roten Felsen, den wir einige Tage vorher von der anderen Seite der Schlucht erspäht hatten.

Nach einer knappen Stunde bergauf verdrückten wir dann endlich unser Frühstück. Das zweite Sandwich, das wir gestern Abend von den Damen auf dem Dorfplatz erhalten hatten.

Weiter ging es auf einem ewig langen Trail auf roten Felsen dem Hang entlang, stets leicht bergauf. Die Orientierung war nicht ganz einfach. Zum Glück wiesen uns immer wieder Steinmännchen den Weg.

Als es dann endlich bergab ging, jauchzten wir gemeinsam mit unseren Carbongäulen! Eine weitere Trouvaille war entdeckt! Und das nicht etwa in Neuseeland oder Utah…

In Beuil kannten wir uns ja bereits aus.

Dank 14 Juillet mussten wir uns heute auch keine Sorgen machen, ob da Restaurants und Geschäfte geöffnet sein könnten.

Frisch gestärkt ging es 40 Minuten weiter mit dem Aufstieg zum Col de la Cuillole. Noch ein kurzer Forstweg, und los ging der Downhillspass! Ein Trail wie ein Kunstwerk. Mit feinem Pinsel treffsicher in den Bergwald gezeichnet. Wunderbar.

Er spuckte uns schliesslich in einer Schlucht an einem Flüsschen aus, das tatsächlich noch Wasser führte. Und noch standen uns rund 800 Tiefenmeter Downhill bevor. Zuerst wie auf der Karte eingezeichnet etwas mühsam über Bergsturz-Gelände, dann wunderbar der Höhenlinie entlang nach Roure.

Der schlaue Chill-Schirmling, oder so…

Und tatsächlich: Als wir den Wasserkanal – im Vinschgau Waalweg, im Wallis Suone oder französisch Bisse genannt – erblickten, hüpften unsere Bikerherzen vor Freude. Die sind jeweils extrem spassig zu fahren, aber leider vielerorts für Biker tabu.

Wenn sie denn breiter als 15 cm und nicht sehr exponiert sind.

Das war sie aber leider, unsere Bisse. An manchen Orten nur unter Einsatz von Leib und Leben fahrbar zu meistern. Da wir aber auch nächstes Jahr unseren Blog nicht frei erfinden möchten, entschieden wir uns des Öfteren für die Marschvariante. Auch die war nichts für ängstliche Zeitgenossen.

Die Wolke ist übrigens von zwei Eseln, die sich sogleich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub gemacht haben, als sie uns entdeckten und warden nie mehr gesehen!

So verloren wir ziemlich viel Zeit und Kraft. Und nach einer Stunde auch die Nerven. Um etwas Zeit zu sparen, zweigten ab auf einen Wanderweg talwärts.

Doch Zeit sparten wir damit nicht. Nerven wohl auch nicht, denn fahrbar war wohl nur die Hälfte.

Endlich erreichten wir die Strasse. Etwas, was uns normalerweise keine Freudentränen in die Augen treibt bergab.

Heute begann sogar der Himmel zu weinen. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet.

Wir gaben unseren Pivots die Sporen und flogen auf dem Trail, der nun nochmals sehr gut war, bergab nach Saint Saveur sur Tinée. Der Regen war mittlerweile in eine Sintflut übergegangen. Zum Glück stand auf dem Dorfplatz noch ein Zelt von den Feierlichkeiten.

Und noch stand uns der Monsteraufstieg über 30 km und 1500 Höhenmeter ins Skigebiet Isola 2000 bevor.

Zum Glück fanden wir eine Bushaltestelle, deren Fahrplan uns einen Bus um 16 Uhr nach Isola versprach. Wir putzten unsere Bikes am Dorfbrunnen und warteten. Und warteten nochmals eine Viertelstunde. Déja-vu.

No shirt, no service!

Dann halt nicht. Wir setzten uns auf unsere Bikes und fuhren den ersten Teil des Aufstiegs bis nach Isola Dorf.

Wo auch Frau Holle kurz vor Ankunft wieder die Schleusen öffnete. Egal, ab hier sollten wir doch noch einen Bus ins Skigebiet erwischen.

Soweit kam es aber nicht. Plötzlich zeigte Petrus wieder seine Schokoladenseite. Und heiss war es mittlerweile auch nicht mehr. Also lieber den Spatz in der Hand die Taube auf dem Dach. Will heissen, wir sassen wieder mal auf unseren Bikes und kletterten bergauf. Und tatsächlich begrüsste uns im Ziel die Abendsonne.

Ruggi am Lenker, schont den Poppes!

Zwölfeinhalb Stunden waren seit unserem Start auf dem Trampo-lit vergangen.

Raclette und Fondue in einem, so geht das in Isola 2000!

Bonne nuit et a demain,

Mat&Dani

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